
Sonja Norgall kümmert sich gemeinsam mit ihrer Kollegin Yvonne Neumann um die 140 Ehrenamtlichen und sorgt dafür, dass der Bus jede Nacht unterwegs sein kann.
Sonja Norgall kümmert sich gemeinsam mit ihrer Kollegin Yvonne Neumann um die 140 Ehrenamtlichen und sorgt dafür, dass der Bus jede Nacht unterwegs sein kann.
Wir sind verlässlich 365 Nächte im Jahr für obdach -und wohnungslose Menschen in der Stadt unterwegs. Ob Sommer oder Winter, wir fahren wirklich jeden Tag. Das machen unsere 140 Ehrenamtlichen möglich. Ohne sie würde das Projekt nicht laufen. Die Ehrenamtlichen bilden gleichzeitig eine Brücke im Verständnis. Sie erzählen im Familien- und Freundeskreis von ihrer Arbeit und Erlebnissen mit den Gästen am Bus. Dadurch wächst das Verständnis für die Bedürfnisse und Schwierigkeiten im Leben obdachloser Menschen auch bei Menschen, die damit keine Berührungspunkte haben. Das hilft dann im Alltag wieder allen, wenn man sich auf der Straße freundlich begegnet und versucht, zu helfen. Ich erlebe viele Hamburgerinnen und Hamburger als wirklich interessiert und bemüht zu helfen, wo und wie es möglich ist. Dabei ist es für unsere Arbeit hilfreich, wenn die Hilfe über zentrale Hilfseinrichtungen wie uns koordiniert wird, damit sie sinnvoll geschieht.
Ganzjährig und besonders in der kalten Jahreszeit sind dicke Schlafsäcke, Isomatten und Wolldecken nötig. Außerdem gut erhaltene Herrenkleidung von Kopf bis Fuß. Vor allem Sachen wie Herrenschuhe, Socken und Unterhosen bekommen wir nur selten gespendet, werden aber oft danach gefragt. Und auch Handschuhe, am besten mit Fingern, sehe ich nur alle Jubeljahre, da würden wir uns über mehr freuen. Es gibt nur wenige offene Kleiderkammern im Hilfesystem. Im Sommer war auch kaltes Wasser sehr gefragt, das haben wir über Spenden ermöglicht.
Auf der Straße nimmt die Verelendung sichtbar zu. Wir erleben Menschen am Bus, die körperlich krank sind und auch seelisch. Da helfen ein Kaffee und ein kleines Gespräch nur für den Moment. Wir nehmen auch eine größere Anzahl an Frauen am Bus wahr, teilweise mit psychischen Problemen. Die Sozialarbeiter*innen können den obdachlosen Menschen kaum Angebote machen. Es fehlt vor allem an bezahlbarem Wohnraum. In der Stadt sind die öffentlichen Unterkünfte voll belegt und neue Personen können kaum aufgenommen werden. Zurzeit werden Zelte aufgestellt und die Messehalle reaktiviert, für Flüchtlinge aus der Ukraine und anderen Ländern. Im kommenden Winternotprogramm werden Unterkünfte geräumt, wo Flüchtlingen untergebracht waren, um den Platz obdachlosen Menschen zur Verfügung zu stellen. Im April nach Ende des Notprogramms wechseln die Menschen wieder ihren Platz und die meisten Nutzer der Winterschlafplätze werden wieder obdachlos.
Die Ausfälle im Team aufgrund von Corona und anderen Krankheiten macht uns bei der Einsatzplanung zu schaffen. Viele Ehrenamtliche denken gerade neu über ihr Leben nach und setzen ihre Prioritäten anders. Das hat auch bei uns zur Folge, dass einige langjährige Helferinnen und Helfer gehen, um sich zu verändern und andere Dinge ausprobieren. Um die Lücken zu füllen, die durch die Weggänge entstehen, holen wir viele neue Ehrenamtliche ins Boot. Da sind die Schulung und Einarbeitung in die Abläufe eine große Herausforderung. Es macht Spaß zu sehen, dass neue Leute eine Chance hier im Projekt bekommen, an den Aufgaben wachsen und Einblicke in bisher fremde Lebenswelten nehmen können.
Eine große Aufgabe ist es, ausreichend Verpflegung für die Gäste am Bus zu bekommen. Im letzten Jahr hatten wir Unterstützung von der Sozialbehörde in Form von fertig gepackten Lunchtüten. Die Hilfe wurde diesen Sommer beendet. Wir arbeiten auch seit vielen Jahren mit Bäckereien zusammen, die uns ihre restliche Ware nach Feierabend spenden. Seit Corona und der Ukrainekrise mit den gestiegenen Energie- und Personalkosten kämpfen die Bäckereien um das wirtschaftliche Überleben. Dazu gehören kürzere Öffnungszeiten und weniger Ware. Wir holen aktuell bei sechs Bäckereien Ware ab, bekommen aber bei jeder Filiale nur 1-2 Kisten. Das ist zu wenig, um ausreichend Essen für alle Gäste anbieten zu können. Daher suchen wir nach weiteren Spenden, vor allem belegten Brötchen
Es ist schön zu sehen, wenn Menschen die Kraft finden, ihre Situation zu verändern oder zumindest damit klar zu kommen. Neulich hat uns eine Frau unter einer Brücke 5 Euro gespendet und gesagt: „Es ist so cool, dass es euch gibt und ich kann mir ja neues Geld schnorren…“
Ein Gast stand einmal geduldig in der Schlange an, nur um uns für unsere Arbeit zu danken, er wollte nichts zu essen oder trinken haben. Es hilft uns im Kontakt mit den Gästen auch weiter, wenn die Sozialarbeiter*innen des DZW mitfahren. Mit ihren Sprachkenntnissen können sie intensive Gespräche führen und erste Hilfeprozesse einleiten. Auch wenn sich die Gäste umeinander kümmern, das finde ich schön zu sehen. Ein Stammgast hat uns auf einen obdachlosen Mann aufmerksam gemacht, der nur ein Bein hatte und etwas abseits von unserer Tour seinen Schlafplatz hatte. So konnten wir auch ihm für die Nacht etwas helfen.